Die Klamurke Belletristik

Das Huhn

Auf einem Teich schwammen fünf Seerosen. — Nicht jedoch – wie man meinen möchte – in Form eines Pentagramms, sondern als Hexagramm, dem die Spitze fehlt.

So schwammen denn auf dem Teiche die Seerosen: Als Hexagramm, dem die Spitze fehlt. Auf dem Grunde aber krabbelten Krebse und wunderten sich sehr; und auch die Wasserläufer, die auf der Wasserfläche hin und her liefen, wußten weder aus noch ein. Ein in der Mitte schwimmender Hecht versuchte, die Seerosen zu verschieben; doch alsbald schon verließen ihn die Kräfte, und erschöpft sank er auf den Grund des Wassers, wo die Krebse sich seiner annahmen.

Einzig ein Huhn, das beim Fangen eines Wasserläufers in den Teich gefallen war und im Begriffe stand zu ertrinken, kümmerte sich nicht um die merkwürdige Position der Seerosen und war einzig damit beschäftigt, sein Leben zu retten. Doch da es solches auf recht unbeholfene Weise zu bewerkstelligen suchte, konnte es zu keinem befriedigenden Ergebnisse kommen und ertrank.

— Obzwar es dem Huhne nicht vergönnt war, in seinen eigenen Angelegenheiten eine annehmbare Lösung zu finden, so hatten seine Bemühungen dafür jenen Nebeneffekt, daß es die Seerosen verschob; und zwar – zu aller Überraschung – solcherart, daß sie in die ihnen zustehende Form des Pentagramms zu liegen kamen.

Nun waren alle glücklich und zufrieden und freuten sich sehr. Das Huhn aber bekam ein Staatsbegräbnis.

© Raymond Zoller

Zur russischen Fassung






Diesen Text findet man, neben vielen anderen, in dem Taschenbuch

Raymond Zoller

Wie ich den König vom Pferd schubste

und sonstiges Episodisches

RaBaKa-Publishing, Edition Ivata
Erscheinungstermin: Juni 2013
Preis: 16,90 €
Seitenzahl: 196
ISBN: 978-3-940185-25-9


[Sollte der vom Pferde geschubste König über den Buchhandel nicht mehr erhältlich sein, so kann man es über den
Vertrieb des Seminar-Verlags
versuchen. Auf der durch das Link angesteuerten Seite ganz nach unten scrollen; dort findet man ihn]

Die Erzählungen kennzeichnet eine für Zoller typische inhaltliche Unernsthaftigkeit, kombiniert mit einer streng durchgestalteten Form. Die Szenen und Orte der Erzählungen reichen hinein ins Reich des Fantastischen; aber auch ganz normale Alltagsszenen weiß der Autor ins Absurde zu führen. Seine Protagonisten verhalten sich so, wie es nach Ansicht Zollers nicht allein Romanfiguren gut stände, sondern auch dem regelkonformen „Zivilisationisten“.

(Erika Reglin-Hormann)

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