Die Klamurke Belletristik

General Brommelmeier





„Es gibt verschiedene Wege, die Feinde zu vernichten“, – sagte König Hürgokh zu seinem Feldherrn Erwin Brommelmeier. – „Welchen du wählst, ist im Prinzip egal. Hauptsache, sie sind weg.“

Erwin Brommelmeier dachte nach. – „Bevor ich mich um die Feinde kümmere, möchte ich hinunter in den Kerker steigen, um General Brommsen zu verhören“, – sagte er.

„Was bezeichnest du den verräterischen Feldherrn meines verräterischen Vorgängers als General?“ – rief König Hürgokh unwillig. – „Hast du etwa vergessen, daß jener Feldherr mit seiner Absetzung sämtlicher Titel verlustig ging? Wahrlich, wahrlich, kurz ist dein Gedächtnis!“

Brommelmeier hatte nichts vergessen; denn es war erst eine Woche her, seit sie in vereintem Bemühen König Krabakukh abgesetzt und mitsamt seinem Feldherrn in den Kerker geworfen hatten. Seit jenem Ereignisse war Hürgokh König, und Brommelmeier war oberster Feldherr.

Brommelmeier konnte nicht beurteilen, wie weit Hürgokh mit dem Regieren zurechtkam; er wußte nur, daß er selbst mit der Heerführung Probleme hatte und daß er von den verschiedenen Wegen, auf denen man Feinde vernichten kann, keinen einzigen kannte. Vom Kriegshandwerk verstand er nichts; nicht einmal einfacher Soldat war er gewesen, da man ihn seinerzeit wegen seiner Plattfüße vom Militärdienst freigestellt hatte.

„Und warum willst du ausgerechnet jetzt, wo es Wichtigeres zu tun gibt, den inhaftierten einstigen Feldherrn verhören?“ – fragte Hürgokh. – „Warte besser mit dem Verhör, bis du die Feinde vernichtet hast.“

„Ich muß ihn sofort verhören, weil der begründete Verdacht besteht, daß er in die Armee Verräter eingeschleust hat“, – antwortete Brommelmeier. – „Mit einer Armee, in welche Verräter eingeschleust sind, kann ich keine Feinde vernichten.“

Denn er konnte Hürgokh ja nicht sagen, daß er keine Ahnung hat, wie man Feinde vernichtet und daß er von Brommsen erfahren möchte, wie man sowas macht.

„Nun gut, wenn du meinst“, – sagte König Hürgokh. – „Aber beeil dich! Die Feinde sind bereits im Lande!“

Brommelmeier begab sich flugs in den Kerker zu dem ehemaligen General Brommsen und begann ihn auszufragen, wie man eine Armee führt und Feinde besiegt.

Während er seine Fragen stellte und alles aufschrieb, was der abgesetzte General ihm sagte, erreichten die Feinde den Palast, setzten Hürgokh ab, um Platz zu machen für den nächsten König, und warfen ihn in das Verlies zu dem einstigen König Krabakukh.

Brommelmeier aber blieb eingesperrt bei dem einstigen General Brommsen; und er beschloß, die Zeit zu nutzen, um bei Brommsen Unterricht zu nehmen in Heeresführung und Feindevernichten, damit solches ihm nicht noch einmal passiere.




© Raymond Zoller
Zur russischen Fassung





Diesen Text findet man, neben vielen anderen, in dem Taschenbuch

Raymond Zoller

Wie ich den König vom Pferd schubste

und sonstiges Episodisches

RaBaKa-Publishing, Edition Ivata
Erscheinungstermin: Juni 2013
Preis: 16,90 €
Seitenzahl: 196
ISBN: 978-3-940185-25-9


[Sollte der vom Pferde geschubste König über den Buchhandel nicht mehr erhältlich sein, so kann man es über den
Vertrieb des Seminar-Verlags
versuchen. Auf der durch das Link angesteuerten Seite ganz nach unten scrollen; dort findet man ihn]

Die Erzählungen kennzeichnet eine für Zoller typische inhaltliche Unernsthaftigkeit, kombiniert mit einer streng durchgestalteten Form. Die Szenen und Orte der Erzählungen reichen hinein ins Reich des Fantastischen; aber auch ganz normale Alltagsszenen weiß der Autor ins Absurde zu führen. Seine Protagonisten verhalten sich so, wie es nach Ansicht Zollers nicht allein Romanfiguren gut stände, sondern auch dem regelkonformen „Zivilisationisten“.

(Erika Reglin-Hormann)

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