Die Klamurke Belletristik

Der rote Knopf

Da es Krückh nicht gelang, das Dimasotylsystem der Anlage in der vorgesehenen Zeit auf die vorgesehenen Werte hochzufahren, ging er davon aus, daß ein Notfall vorliegt und drückte auf den roten Knopf, der aus der rechten unteren Ecke der Schalttafel emporragte.

Was für Prozesse er durch Drücken dieses Knopfes in Gang setzt und in welcher Weise diese in Gang gesetzte Prozesse den Notfall beseitigen sollen – darüber dachte er nicht nach; er vertraute nur darauf, daß die Leute, die diesen roten Knopf in die rechte untere Ecke der Schalttafel hineingesetzt hatten, genau wußten, was sie taten.

Wie sich später herausstellte, hatte er durch Drücken dieses Knopfes die Notverriegelungen sämtlicher Türen, Tore und Fenster in dem zwei Kilometer entfernt gelegenen Hotel Krüggelmeier aktiviert. Das heißt, die Aktivierung der Notverriegelungen im Hotel Krüggelmeier wurde sofort bemerkt; denn es ist nicht zu übersehen, wenn die Gäste plötzlich ihre Zimmer weder betreten noch verlassen können; wenn auf den Toiletten eingesperrtes Volks verzweifelt an den Klinken hantiert, um herauszukommen, während andere, durch diffusen Druck getrieben, verzweifelt versuchen, hineinzukommen; wenn also ganze Heerscharen von Hotelgästen und Hotelmitarbeitern durch hermetisch verschlossene Türen sich davon abgehalten sehen, Orte zu erreichen, zu denen sie aus diesen oder jenen Gründen hinstreben.

Das Kabel, über welches die Notverriegelung zentral aktiviert worden war, entdeckte man erst am nachfolgenden Vormittag, nachdem man durch Herausschweißen unzähliger Türschlösser die wichtigsten Verbindungswege wiederhergestellt hatte; und erst zwei Wochen später stellte man fest, daß jenes Kabel genau zu jenem von Krückh gedrückten roten Knopf in der rechten unteren Ecke jener Schalttafel führt. Und zwar führte dieses Kabel aus dem Grunde zu jener Schalttafel, weil man es falsch verlegt hatte; denn eigentlich hatte man es mit einem ganz anderen Knopf von ganz anderer Farbe in einer ganz anderen Schalttafel verbinden wollen.

Der rote Knopf war tatsächlich vorgesehen, um Notfällen beim Hochfahren des Dimasotylsystems zu begegnen; doch da man noch nicht dazu gekommen war, jenes System in die Anlage einzubinden und es somit durch Unstimmigkeiten beim Hochfahren auch keinerlei Schaden an der Anlage verursachen konnte, hatte man das Notfallaggregat, welches durch den roten Knopf betätigt werden sollte, noch nicht eingebaut, und der Knopf war frei für den versehentlichen Anschluß an die zentrale Notverriegelung des Hotel Krüggelmeier.

© Raymond Zoller

Zur russischen Fassung






Diesen Text findet man, neben vielen anderen, in dem Taschenbuch

Raymond Zoller

Wie ich den König vom Pferd schubste

und sonstiges Episodisches

RaBaKa-Publishing, Edition Ivata
Erscheinungstermin: Juni 2013
Seitenzahl: 196
ISBN: 978-3-940185-25-9


Sollte der vom Pferde geschubste König über den Buchhandel nicht mehr erhältlich sein,
so kann man ihn über den Vertrieb des Seminar-Verlags
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Der Verfasser schreibt in Deutsch und in Russisch, und für die in diesem Band veröffentlichten Texte gibt es jeweils auch eine russische Version. Die russischen Versionen findet man in dem entsprechenden russischsprachigen Band mit dem Titel «Как я сшиб короля с коня».

Außer für Russischsprachige kann das auch für deutschsprachige fortgeschrittene Russischlernende interessant sein. Letztere können beim Seminar-Verlag ein deutsch-russisches Bücherpaar bestellen.

Die Erzählungen kennzeichnet eine für Zoller typische inhaltliche Unernsthaftigkeit, kombiniert mit einer streng durchgestalteten Form. Die Szenen und Orte der Erzählungen reichen hinein ins Reich des Fantastischen; aber auch ganz normale Alltagsszenen weiß der Autor ins Absurde zu führen. Seine Protagonisten verhalten sich so, wie es nach Ansicht Zollers nicht allein Romanfiguren gut stände, sondern auch dem regelkonformen „Zivilisationisten“.

(Erika Reglin-Hormann)

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