Donnerstag kommt Budjonnyj. Budjonnyj ist der Sohn[1] jenes berühmten Budjonnyj, der während des Bürgerkriegs mit seiner Reiterarmee durch die Lande zog und vor sich hin metzelte. Dachte zunächst, Budjonnyj junior käme auch vom Don. Ist aber nicht so; der kommt aus Moskau und ist ein hohes Tier in irgendeinem Ministerium. Budjonnyj senior kam natürlich vom Don; dass Junior sich mit dieser Delegation hier trifft, ist Zufall und hat nix mit gemeinsamen Donischen Belangen zu tun. Oder höchstens insofern, als man mit Hilfe der hier zur Debatte stehenden Wasseraufbereitungsanlage bemüht ist, den Don durch die in jenem Werk durchgeführte Leiterplattenproduktion nicht allzu schmutzig werden zu lassen.
Leiterplatten werden unter anderem bzw. vor allem in der Computertechnik gebraucht. Dass es Computer gibt, ist natürlich einerseits gut; aber andererseits wird damit sehr viel Unfug getrieben. Zum Beispiel kann die Staatsmacht sich ihrer bedienen, um den Einzelnen noch besser unter ihre Kontrolle zu bringen. Die alten Kosaken waren den Staatsmacht-Schreibern gegenüber misstrauisch: Weil sie die Funktion des Schreibers im Staatswesen verstanden und weil selbige Funktion ihrem rebellischen Wesen gar sehr gegen den Strich ging. – Und in Rostov am Don werden Leiterplatten hergestellt für Computer, welchselbige die Macht des Schreibers wesentlich verstärken. – Und sogar ich helfe dabei; und wenn auch nur bei dem Bemühen, dass der Don bei diesem Unterfangen nicht allzu schmutzig wird; und meine eigene Ausgangslage ist eine recht banale: Nämlich mich selbst mit dem in der heutigen recht merkwürdigen Zeit unverzichtbaren Kleingeld zu versorgen.
Nicht vergessen wollen wir hier, dass Budjonnyj senior, der Donkosake, sein Lebenswerk dem Bemühen widmete, den Don fest in die Hand der Moskauer Schreiber zu bringen.
Insgesamt ein der Komik nicht ermangelndes Zusammentreffen. Saryn na kitschku!
Erwähnt werden muß natürlich noch, dass Rostov von vornherein natürlich keine Kosaken-sondern eine Bürgerstadt ist. Von den vier anwesenden hat nur V. B. kosakische Vorfahren; alle andern sind Ukrainer.
1) Vielleicht auch Enkel
Eigentlich sollte ich das Benutzen von Programm-Raubkopien einschränken und derjenigen gedenken, durch deren Arbeit diese Wunderwerke der Programmierkunst zustandekommen. Irgendwelcher Schaden wird den Zusammenhängen, in denen die Entwicklung dieser Programme durchgeführt und organisiert wird, durch die Raubkopien ja wohl entstehen… - Wenn man bedenkt, dass - aller Wahrscheinlichkeit nach - der Anteil der legal verkauften Programme verschwindend gering sein dürfte gegenüber den Raubkopien, könnte man fast glauben, dass nicht unbeträchtlich.
Rein hypothetisch gehe ich allerdings davon aus, dass die Programmentwicklung teilweise von Seiten aus finanziert werden dürfte, die nicht sonderlich an einer menschengemäßen Entwicklung der Verhältnisse interessiert sind. – Vor ein paar Tagen las ich einen Artikel über Computertechnik und Programme und kam zu dem Schluss, dass das teuerste und kostspieligste Gerät nicht etwa zum Arbeiten, sondern für Spiele und das ganze Multimedia-Zeugs gebraucht wird und dass diejenigen, die das Gerät einfach nur zum Arbeiten brauchen – und auf die man in dem Artikel so'n bisschen mitleidig lächelnd herabblickt – nicht ganz so tief in die Tasche greifen müssen. Sinn und Zweck dieses ganzen Computer-booms ist offenbar, den Menschen in eine Scheinwirklichkeit einzulullen und ihn von jeglicher Entwicklung fernzuhalten. – Insofern ist die mitleidig-gönnerhafte Haltung gegenüber denjenigen Käuzen, die den Computer einfach für Textarbeit benutzen, völlig berechtigt, weilnämlich bei energischer Weiterführung dieser Entwicklung es bald niemand mehr geben wird, der ihre Texte, Bücher, Zeitschriften lesen wird.
Gestern dachte ich an schwarze Magie.
Und merkte, wie diese Magie eine gewisse Anziehungskraft auf mich ausübt. Ist ja normal, dass das eine gewisse Anziehungskraft ausüben kann. Und fatale Bereitschaft, Experimente durchzuführen. – Aber vermutlich würde ich, wenn es darauf ankäme, von einem Durchführen solcher Experimente absehen, da ich im konkreten Falle die Würde und freie Entwicklung meiner Mitmenschen über alles setze.
Doch, sagen wir, selbst das harmlos wirkende Experiment mit Nati hatte eine leise oder sogar nicht ganz leise Nuance von schwarzmagischem Charakter. Sie hatte meine Drachengeschichte[2] gelesen; die gefiel ihr; ganz kurze Zeit nannte sie sich in ihrem Messenger sogar Ayolla[3]. – Ich begann, die Erzählung auf sie umzuschreiben; und ihr gefiel das. Hätte man diese anlaufende Aktion voll durchgezogen, so hätte es ihre Lebensführung zweifellos beeinflusst. – Was aber, andererseits, bei jeder echten Literatur so ist. Frage ist nur, ob es zur Befreiung oder zur Versklavung geführt hätte. Ja nu; hätte wohl von beidem eine Nuance gehabt…In unseren verworrenen Zeiten ist es nicht möglich, Befreiung durchzuziehen ohne zumindest punktuelle Beimischungen von Versklavung; ist nur die Frage, wie man damit umgeht.
Ich aber sage euch: Schlimmer als solche Beimischungen schwarzmagischer Beeinflussung ist der amorphe Brei, in dem die Menschheit zu ersticken droht.
2 Jahre später:
Laut D. führt Nati derzeit, mit der gleichen Inbrunst, mit der sie sonst Geige spielt, ein unmoralisches Leben; mit Schwerpunkt auf Orgien, wo eine einzige Frau – sie selbst – möglichst vielen Männern zur Verfügung steht. Solche Happenings finden vornehmlich in D.s Wohnung statt
2) „Von Drachen, Stripperinnen und Schornsteinfegern“; online findet man das hier
3) So heißt die Heldin dieser Drachenerzählung
Gestern Messenger-Gespräch mit Inga. Es geht ihr gesundheitlich schlecht; sie war im Krankenhaus. Leidet unter Nierensteinen; einer dieser Steine musste zertrümmert werden. Man machte das mit Hilfe eines Litotriptors, eines Nierensteinzertrümmerers.
Den Litotriptor kenne ich, weil ich in den achtziger Jahren im Ulmer Krankenhaus dolmetschte, wo drei Moskauer Ärzte in die Arbeit mit diesem in der Firma Siemens entwickelten Gerät eingewiesen wurden. Wir hausten im gleichen Hotel, trieben uns in der freien Zeit gemeinsam in Ulm herum. An die Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Langsam kommen die Erinnerungen wieder. Wenn wir in unseren weißen Kitteln durch die Klinik marschierten, schaute man uns ehrfürchtig an. Mindestens einmal wurde ich mit „Herr Doktor“ angeredet. Auch in der Zeitung schrieb man über uns. Auf einem von unserer Gruppe veröffentlichten Foto wurde ich, wie ich erfuhr, von manchen als „echter Russe“ identifiziert, echter als die übrigen. Ja.
Einer von ihnen, ein kleiner, untersetzter, war als KGB-Agent dabei. Dies erfuhr ich von seinen Kollegen. Dass seine medizinischen Kenntnisse eher schwach waren, merkte sogar ich. Einer seiner „Kollegen“ erzählte mir, dass er tatsächlich Arzt ist, dass er tatsächlich nicht viel versteht und manches Unheil anrichtet. - Ich erinnere mich an eine Veranstaltung mit Klinikärzten, wo ich mir beim Übersetzen Mühe geben musste, seine offensichtlichen Dummheiten nicht allzusehr durchschimmern zu lassen. Ja. So langsam erinnere ich mich wieder.
[...]
Und nun, nach fast 40 Jahren, werde ich wieder an diesen Nierensteinzertrümmerer erinnert. Das erste Mal, dass jemand aus meinem Bekanntenkreis damit behandelt wurde.
In Tbilissi war das, am 20. Oktober 2005.
Die Datumsangaben in jenem Tagebuch sind aus unerfindlichen Gründen größtenteils in Polnisch; kuriositätshalber lass ich das mal so stehen.
Mit erwähnter Tatarin sprach ich Russisch; Lari ist die georgische Währung.
Gestern kam wieder die Tatarin aus Kasan mit Honig. Sie hatte sich vor ein paar Tagen einen Nagel in den Fuß getreten und konnte kaum noch gehen. Ich kaufte ihr die ganze Ladung ab (70 Lari), damit sie heute nicht mehr herumlaufen muß. Ihr fiel der erbärmliche Zustand meiner Wohnung auf, besonders der Küche; und sie wusch mir das Geschirr ab und wusch den Fußboden. Ich gab ihr dann insgesamt 80 Lari; was ihr sehr unangenehm war, da sie mir ja nur hat helfen wollen; und ich begründete die zusätzlichen zehn Lari damit, dass ich meinerseits ihr helfen wollte. So war alles in Ordnung.