Die Klamurke Belletristik
Ins Land des Lasters

Eine kulinarische Trilogie

Eine literarische Besprechung des opus "Urwaldidylle"
von
Balthasar Kuckuck

Nicht von ungefähr trägt dieses Werk den Untertitel "Eine kulinarische Trilogie": Denn vom kulinarischen Gesichtspunkt gliedert es sich unübersehbar in drei Teile.

Im ersten Teil wird die Königstocher aufgegessen. Dieser Teil umfaßt ein einziges und nur ganz kurzes Kapitel, in dem wir, ohne Einzelheiten zu erfahren, mit der Tatsache vertraut gemacht werden: daß sie, eben, aufgegessen wurde. Den meisten Raum in diesem Kapitel nimmt die Beschreibung der Folgen des Aufgegessenwerdens ein.

Im zweiten Teil wird dann beschrieben, wie die Königstochter beinahe aufgegessen worden wäre. Ganze acht Kapitel sind diesem bewegten Hin und Her gewidmet; was eine ganz schöne Menge ist.

Im dritten Teile schließlich - der ganze zwei Kapitel umfaßt - zeigt der Dichter, wie die Königstochter so tut, als würde sie aufgegessen. Das erste Kapitel dieses Teils (von der Gesamtzählung her das zehnte) ist einer detaillierten Beschreibung dieses Vorgangs gewidmet, während das zweite bzw. elfte oder letzte einige zugrundeliegende Fragen berührt und sich rein in Überlegungen und Erwägungen bewegt (nicht umsonst trägt es den Titel "Die letzten Fragen")

Rein von der gewohnten Logik her würde man eher eine Umkehrung der Reihenfolge erwarten; hier läge in der Tat eine gewisse Steigerung: Zuerst tut sie so, als ob; dann wird das, was sie vortäuscht, beinahe Wirklichkeit; und schließlich wird es tatsächlich Wirklichkeit.

Der Dichter aber rennt all diese vom abgehobenen Vernunftgebrauch diktierten Erwartungen über den Haufen; und das allerüberraschendste ist, daß er auch hier, wo man eher eine umgekehrte Steigerung – also eine Art Reduzierung – erwarten würde (da die eigentliche Steigerung ja in der Umkehr der von ihm gewählten Anordnung liegt), eine Steigerung hineinzubringen es versteht; und sogar eine wesentlich stärkere Steigerung, als sie bei Einhalten der logisch vorgegebenen Reihenfolge vorliegen würde.

Fürwahr eine enorme literarische Leistung!

Balthasar Kuckuck

© Raymond Zoller