Die Klamurke Belletristik

Die Peitschenfolter des Gewordenen

Irgendeine Internetseite, deren Namen ich vergessen habe, hatte eine willkürlich zusammengestellte Wörterliste veröffentlicht, aus welcher man möglichst viele Ausdrücke in einem möglichst kurzen Text zusammenbringen soll. Vorliegende „Peitschenfolter des Gewordenen“ enthält aus dieser Liste die Wörter bzw. Wörterkombinationen „Stöße, Leben, Versuch, Gegenteil, Ableben, unerträglich, Qualen, Gottheit, Experiment, Spuren, Vorliebe für Leichen, Narben, Hörigkeit, Peitschenfolter, Nichts, Form“ – Plaziert hatte ich es unter dem Pseudonym Krivoi-Krokovsky (der Abwechslung halber, da ich bereits vorher unter meinem richtigen Namen einiges plaziert hatte; unter anderem das ebenfalls erhalten gebliebene „Exzentrische Enthüllen“). Die Herausgeberin – mit der ich bereits vorher korrespondiert hatte - informierte ich über die wahre Identität des Krivoi-Krokovsky und hab seitdem nie wieder etwas von ihr gehört; sei es wegen Krivoi-Krokovsky, sei es wegen der zwar inhaltsgesättigten, jedoch nicht allgemein verdaulichen „Peitschenfolter“.

In wirren Stößen pulsierte das Leben vor sich hin. Jeder Versuch, es in fließende Bewegung zu bringen, entartete in das Gegenteil des Erstrebten; jede Bewegung erstarrte in ihrem Entstehen zu nicht mehr zu sprengender Form. Das unablässige Ableben des Auflebenden bereitete ihm unerträgliche Qualen. „Als die Gottheit am siebten Tage der Durchführung ihres Experiments auf die erstarrten Spuren ihrer Taten zurückblickte, da redete sie sich ein, das alles sei gut,“ dachte er. „Mir jedoch ist jegliche Vorliebe für Leichen fremd, und deshalb können solche Narben vergangenen Lebens mich keineswegs erfreuen.“

Die Hörigkeit seiner Zeitgenossen, die sich willig und ohne innere Aufruhr der Peitschenfolter des Gewordenen aussetzten, blieb ihm, der am Rande des Nichts diesem wirren Werden und Entwerden zuschaute, zeitlebens unverständlich.

© Raymond Zoller