Die Klamurke Belletristik

Krueggelmeier

Wer sich mit wenigem begnügen kann, hat’s leicht im Leben.

Jenes unbestimmte Bohren, das Gären von Fragen, die nach Formulierung und Antwort drängen, kannte Krüggelmeier nicht. Und da er kein Fragen kannte, war es ihm ein leichtes, fertige Antworten entgegenzunehmen und sie an andere, die, gleich ihm, nicht fragten, weiterzugeben. Krüggelmeier lebte in einer Welt aus Gewordenem, Fertigem. Manchmal, wenn er die fertigen Antworten auf ungestellte Fragen weitergab, gebrauchte er, und zwar meist mit großer Emphase, Ausdrücke wie „Lebensfragen“, „rätselhaftes Dasein“ und ähnliches; doch solche Ausdrücke gehörten zu seinem fertig übernommenen Repertoire; in Wirklichkeit konnten weder Lebensfragen noch Gefühle der Rätselhaftigkeit und des Staunens in seine erstarrte Welt aus Gewordenem eindringen und sie durcheinanderbringen.

Deshalb hatte Krüggelmeier auch keinerlei Probleme, es in einer Sekte, welche die Beschäftigung mit Lebensfragen in ihrem Programm hatte, zu einer führenden Position zu bringen. Fragende würden in solch abgesicherter Welt nur stören; eine solche Welt braucht Menschen wie Krüggelmeier.

Drum seien wir denn froh, daß es sie gibt.

© Raymond Zoller