Die Klamurke Belletristik

Adapterlose kollinogatische Anlagen




Krüggelmeier saß auf dem Brückengeländer, ließ die Beine nach unten baumeln und las mit lauter Stimme aus einem Handbuch für konsekutive Interpolation konturneutraler Werte beim Hochfahren adapterloser kollinogatischer Anlagen. Wenn er von seinem Buche aufblickte, sah er, wie die an ihm vorbeiströmenden Passanten in zerstreutem Staunen zu ihm herüberschauten und weiterstrebten in unbekannten Angelegenheiten, die vielleicht mit kollinogatischen Anlagen zu tun hatten, vielleicht auch nicht; und es störte ihn nicht im Geringsten, daß niemand ihm zuhörte. „Konnotativ“ klang, wenn er es aussprach, wie „konglomerativ“; aber sonst las er alles richtig. Kraftvoll betonte er Stellen, die ihm wichtig schienen; und was ihm ganz besonders wichtig schien, las er entsprechend besonders laut. Daß adapterlose kollinogatische Anlagen inzwischen insofern überholt sind, als dank dem technischen Fortschritt ein Adapter nicht mehr benötigt wird und somit das Fehlen eines solchen keine Erwähnung mehr findet – wußte er nicht; sonst hätte er das Buch vielleicht beiseitegelegt. So aber legte er das Buch nicht beiseite, fand alles außerordentlich interessant und las unbeirrt mit lauter Stimme allen, die es hätten hören können, von den Geheimnissen konsekutiver Interpolation konturneutraler Werte beim Hochfahren adapterloser kollinogatischer Anlagen.

Als er auf Seite 50 angekommen war, beschloß er, sich umzuwenden. Nun baumelten seine Beine über dem Fluß, und sein Vortrag galt den Passagieren der unter der Brücke durchfahrenden Ausflugsdampfer sowie den auf irgendwelchen Lastkähnen unbekannte Tätigkeiten vollziehenden Matrosen und Arbeitern.

Als von einem Ausflugsdampfer, der soeben die Brücke passiert hatte, plötzlich in gewaltiger Lautstärke Blasmusik ertönte, zuckte er erschrocken zusammen; wobei das Buch seinen Händen entglitt und nach unten fiel; und wie er es auffangen wollte, verlor er das Gleichgewicht und fiel hinterher.

Und alsbald schon konnte man hinter dem sich lautstark entfernenden Ausflugsdampfer ein im Fahrwasser auf und ab schwankendes aufgeschlagenes Buch sehen, und neben dem Buch blubberten schwächer und immer schwächer werdende Luftblasen.

Die Luftblasen verebbten; und gemächlich wurde das Buch von den Wellen ans Ufer getragen, wo es, so niemand es aufhebt, liegen wird bis ans Ende der Zeiten.




© Raymond Zoller