Die Klamurke Belletristik

Der Wasserbüffel

Im dritten Jahre der Herrschaft Nikita Chruschtschovs*, zwei Tage vor Weihnachten, entstieg den eiskalten Wassern ein Wasserbüffel; und nachdem er sich gründlich geschüttelt, hub er also zu sprechen an:

Ihr Sterblichen ihr, die ihr Treue bewahret dem Festen! Wisset ihr nicht, daß im Wasser des Lebens Gewalt? Im fließenden, strömenden? Habt ihr vergessen des Wandrers Vermächtnis, welches da spricht von des Fließenden Macht? Wisset ihr nichts von den steinhart verfestigten Brocken, deren eigene Härte sie letztlich zersprengt' und in pulvrigem Zustand dem Strom übergab? O ihr Banausen, ihr Klötze: Ich staune, wie ihr an Felsen euch krallet, in Felsen euch wandelt, euer Staub sich verflüchtigt; und nichts bleibt mehr übrig als Dreck und Gestank!

Worauf sich versammelten steinharte Gnome, vertrocknete Gnome in Menschengestalt. Sie polterten, dröhnten und stöhnten; und von seinem Throne erhob sich

König Weißkalk.

"Was ist los?", fragte er.

"Der Wasserbüffel hat was gesagt," antwortete einer der Gnome.

"Was?"

"Wie bitte?"

"Was hat er gesagt?"

"Irgendwas mit Felsen und Staub," sagte der Gnom.

"Sehr gut," bemerkte König Weißkalk. "Und warum schreit ihr so?"

"Irgendwas war, glaub ich, nicht richtig."

"Was?"

"Wie bitte?"

"Was war nicht richtig?"

"Er will der Sterblichen Treue zum Festen untergraben," antwortete ein alter und weiser Gnom.

"Das ist natürlich schlecht," sagte König Weißkalk und zündete sich eine Zigarette an. "Und was nun?"

"Weiß ich auch nicht," antwortete der Gnom.

"So wollen wir uns denn wieder verstreuen," sagte König Weißkalk und zog an seiner Zigarette.

Die Gnome trollten sich.

Der Wasserbüffel aber stieg ins Wasser zurück und ward seitdem nicht mehr gesehen.


*)Ihr Sterblichen, die ihr der russischen Sprache nicht mächtig: wollt ihr nicht trotz dieses Mangels dem Manne erweisen die rechte Betonung? Nikíta ist‘s, ja, und nicht Níkita; Chruschtschóv ist‘s, und keinesfalls Chrúschtschov. Lasset ihr ihm, dem Verkannten, die rechte Betonung gedeihen, so seht ihr, wie besser sich fügt er dem strömenden Ganzen.

© Raymond Zoller