Die Klamurke Belletristik

Werkstatt

Eine dieser zahllosen
angefangenen und wieder liegengelassenen Erzählungen.

Veröffentlicht in dieser Werkstattecke als Ermahnung für mich selbst: es weiter auszuarbeiten.

Und vielleicht noch für diesen oder jenen zufälligen Leser als kuriose Nebenbeilektüre.

Wem es nicht gefällt – einfach nicht weiterlesen

Zwischenfliege

Vorbemerkung zu diesem Text

Die Geh-Mühsen zieh'n durch die Straßen,
und Flugmühsen kreisen am Himmel.
Sie suchen Graf Kieloh von Flaischoh,
der Poh-Rehe jagte und plötzlich verschwand

Das zufällig irgendwo entdeckte Foto eines zufällig von irgendwem in irgendeinem Supermarkt gefundenen Einkaufszettels führte beim Verfasser vorliegender Zeilen reflexhaft zur Erfindung des Mühsentals, der Geh- und Flugmühsen, der Baronin von Kreuth-Erkese und sonstigem bis dahin nicht existierendem.

Und Ansätze gab es zur poetischen Bearbeitung dieser neuentstandenen Welt. – Näheres findet man bei Bedarf hier.

Das war zu einer Zeit, als ich mit Unterstützung einer Bekannten aktiv an der Entwicklung der Ürdükiade arbeitete, und entsprechend gestaltete sich auch das Dasein des Grafen Kieloh von Flaischoh und der Baronin Isabella von Kreuth-Erkese.

Nachfolgend in leichter Überarbeitung der Anfang des dabei entstandenen Entwurfs.

Das Seelenleben der Akteure ist etwas grob vereinfachend dargestellt. Vielleicht bleibt das mehr oder weniger so; oder es wird differenzierter ausgearbeitet. Weiß noch nicht, wie ich das handhaben werde. Die grobe Vereinfachung hat was für sich.

Manche der Namen, die den Anstoß gaben zu diesem abenteuerlichen Werk, werden vielleicht noch geändert; besonders die Baronin verdient eine wohlklingendere Benamung. – Man wird sehen.

Möge ich denn nicht vergessen, das weiter auszuarbeiten.

Zwischenfliege

Isabella Baronin von Kreuth-Erkese

Die Baronin Isabella von Kreuth-Erkese, die Verlobte des Grafen Kieloh von Flaischoh, war seit Wochen verschollen.

Der Graf war sehr beunruhigt und besuchte schließlich den Seher Bagromilius Puffoh, um von ihm Auskunft zu bekommen über den Verbleib seiner Verlobten.

Bagromilius Puffoh ist dafür bekannt, daß er mit den unterschiedlichsten Geistern und Dämonen verkehrt und daß er Geheimnisse zu enträtseln vermag, die für andere unergründbar sind. – Er versprach, sich um die Sache zu kümmern und schickte sogleich ein großes Dämonenheer los, um nach der Baronin zu suchen.

Und schon zwei Tage später konnte er dem Grafen mitteilen, daß seine Verlobte durch einen seiner Leibwächter in die Ürdüksche Unterwelt verschleppt wurde.

Der Graf hörte zum ersten Mal von einer ürdüksche Unterwelt, hatte keine Ahnung, was das ist, und wollte näheres erfahren. Und fragte auch nach dem Namen des Leibwächters, damit er ihn bestrafen kann. Puffoh antwortete, eine Bestrafung des Leibwächters sei nicht zu empfehlen, da der Graf ohne ihn kaum Zutritt finden würde zum ürdükschen Reich. Zutritt bekomme er, wenn überhaupt, nur in Begleitung einer Person, die dort akkreditiert ist. Und dieser Leibwächter sei akkreditiert; wie sich herausstellte sei er sogar als Agent jenes Reiches losgeschickt worden, um die Baronin zu entführen. Die Stellung als Leibwächter habe er im ürdükschen Auftrag übernommen; und sicher werde er nach Erledigung seines Auftrags nun bald kündigen.

Unbedingt zu bedenken sei, daß seine Verlobte zwar gewaltsam verschleppt wurde; daß sie aber die Gewalt, die man ihr antat, innerlich bejaht. Wäre es anders, so hätte man, im Sinne der im ürdükschen Reiche gepflegten Gepflogenheiten, von einer Entführung abgesehen.

"Begab sie sich etwa freiwillig in jenes Reich?"

"Man hat sie gewaltsam verschleppt; direkt freiwillig wäre sie nicht hinabgestiegen. Aber sie fand Gefallen daran, daß man ihr Gewalt antat. Wie im ürdükschen Reiche üblich wird man sie früher oder später wieder freilassen. Sie wird dann ein normales Leben führen, nur zwischendurch unterbrochen von Phasen, wo sie sich als Lustsklavin der ürdükschen Gewalt zu unterwerfen hat. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen; Ihre Verlobte findet Gefallen an dieser Situation; und nach wie vor betrachtet sie sich als Ihre Verlobte und möchte mit Ihnen zusammen sein.“

„Meine Verlobte als Lustsklavin…“ – brüllte der Graf.

„Prinzipienreiterei bringt Sie nicht weiter,“ bemerkte Puffoh beschwichtigend. „Unbeschadet ihrer Zuneigung für Sie findet Ihre Verlobte Gefallen an dieser Situation. Würde es ihr nicht gefallen, so würde man sie freilassen. Und man hat sie geraubt, weil man um ihre unterschwellige Neigung und Begabung für eine solche Lebensführung wusste. Wenn man sie freilässt, wird sie auch weiter als Ihre Verlobte, oder auch als Ihre Ehefrau mit Ihnen zusammen sein; nur werden in euer Zusammenleben Phasen eingesprenkelt sein, wo sie der ürdükschen Unterwelt als Lustsklavin zu dienen hat.“

„Eine ganz große Schweinerei ist das“, schimpfte der Graf.

„Wie ich schon sagte: Prinzipienreiterei erschwert nur alles und kann vieles kaputtmachen. Am besten, Sie versuchen, in aller Freundschaft mit Ihrem Leibwächter die Angelegenheit zu besprechen. Aber Sie müssen sich beeilen, da er meines Wissens bald kündigen wird."

„Gut, ich werde ihn sprechen. Sagen Sie mir, wer es ist.“

„Bevor ich Ihnen den Namen nenne, will ich nochmal erinnern: bitte sprechen Sie mit ihm in aller Freundschaft. Prinzipienreiterische Feindschaft macht alles nur kaputt.“

„Ich habe verstanden.“

„Buttoh heißt er.“

"Ach, der Buttoh … Der guckte sie manchmal an wie ein hungriger Wolf. Gut; ich will versuchen, ihn in aller Freundschaft, ohne Eifersucht und ohne Prinzipienreiterei zu sprechen."

„Da Sie sich offensichtlich gut in der Hand haben, werden Sie das Problem lösen können“, sagte Puffoh. „Ihre Verlobte liebt es, sich zwischendurch in den Krallen wilder Gewalten zu winden. Gönnen Sie ihr das Vergnügen, und alles wird gut. Und wenn Sie tiefer in sich hineinschauen, werden Sie merken, daß auch Sie Gefallen daran finden, sie zeitweise in den Krallen wilder Gewalten zu erleben. Bei Überwindung von Eifersucht, Prinzipienreiterei und Standesdünkel kann man die Dinge frei entwickeln und Neues schaffen.“

Also sprach Bagromilius Puffoh.

„Hat tatsächlich was für sich“, murmelte der Graf. – „Nicht schlecht.“

„Sagte ich doch!“ Puffoh verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich merkte doch, daß Sie genügend ehrlich und geistig beweglich sind, um Ihre mit dieser ungewohnten Situation sympathisierenden verborgenen Neigungen ans Licht zu ziehen. Verdauen Sie erst mal gründlich; und wenn Sie bereit sind zu einer ungezwungenen Klärung – bestellen Sie Ihren Leibwächter zu einem Gespräch.“

♦♦♦

Drei Tage und drei Nächte brauchte der Graf Kieloh von Flaischoh, um das alles zu verdauen. Zunächst befremdete ihn die prickelnde Neugier, die er bei der Sache empfand; doch dann nahm er sie als gegeben hin und ließ ihr freien Lauf.

Am Morgen des vierten Tages bestellte er den Berserker Buttoh in sein Büro.

Am Schreibtisch sitzend wies er auf den bequemen Sessel und lud ihn ein, sich zu setzen. Buttoh verstand, daß es ein friedliches Gespräch wird, und nahm Platz. Befürchtungen hegte er sowieso nicht, da er sich unter dem persönlichen Schutze Ürdüks wusste und auch selbst über genügend Körperkräfte verfügte, um sich gegebenenfalls zur Wehr zu setzen.

"Mir wurde mitgeteilt, daß Sie die Baronin Isabella von Kreuth-Erkese entführt haben?"

Der Berserker staunte. Normalerweise spricht der Graf seine Untergebenen mit "Du" an.

"Ja", nickte er. "Ich habe sie entführt."

"Warum haben Sie sie entführt?"

"Warum sollte ich nicht? Die Frau hat Rasse. Und starkes Potential. Wäre schade, wenn sie im Traditionssumpf versauern würde. Ich tat es für die Baronin. Und vielleicht auch für Sie."

"Für mich?" staunte Graf Kieloh.

"Genau. Für Sie", antwortete der Büttel.

"Sie meinen, Sie haben mich von ihr befreit? Aber ich habe keinerlei Bedürfnis, von ihr befreit zu werden."

"Befreit habe ich Sie von der Traditionsleiche, in welche die Baronin sich früher oder später verwandeln würde. Dafür bekommen Sie nun eine spritzige eigenständige Frau."

„Eine spritzige eigenständige Frau, die sich zwischendurch als Lustsklavin zur Verfügung stellen muß“, antwortete Graf Kieloh.

„Sie wissen Bescheid?“ staunte Buttoh.

„Ja, ich weiß Bescheid“, nickte der Graf. „Wollen wir nicht besser per Du sein?“

„Deine Frau wird viel besser und gründlicher ihre tugendhaften Seiten entwickeln, wenn sie sich zwischendurch als frivole Lustsklavin benutzen lässt“, sagte Buttoh, ungerührt auf das ‚Du‘ überwechselnd. „Bewusst entwickelte Tugend ist wirkliche Tugend, während Traditionstugend bloß einschläfernde Gewohnheit ist. ‚Was gut und böse ist, das weiß noch keiner; es sei denn der Schaffende‘, wie Freund Nietzsche sich ausdrückt.“

„Sogar Philosophen zitierst du“, wunderte sich der Graf. „Ich wusste nicht, daß du so gebildet bist.“

„Ich bin nicht gebildet“, widersprach Buttoh. „Und will auch nicht gebildet sein. Nietzsche sagt, was Sache ist, und ich zitiere ihn, weil ich das auch so sehe. Deine Frau wird flammend lasterhaft und bewusst tugendhaft; so tugendhaft, daß sie auch Herrin ist über ihre Lasterhaftigkeit.“

„Wie soll sie Herrin sein über ihre Lasterhaftigkeit, wenn sie periodisch als Lustsklavin zu dienen hat?“ widersprach Kieloh.

„Deine Frage zeigt, daß du fähig bist, zu verstehen“, lobte Buttoh. „Es gefällt ihr, periodisch als Lustsklavin benutzt zu werden. Wenn man merkt, daß es ihr nicht mehr gefällt, wird man ihre Einsätze entsprechend reduzieren oder auch einstellen. Wenn sie dann der Hafer sticht, kann sie sich freiwillig für Einsätze oder Bereitschaftsdienst melden. Ich bin sicher, daß sie dir als Lustsklavin gefällt. Bislang kanntest du auch dich selbst zu wenig, da du zu sehr in Traditionen und sonstigen Vorurteilen eingelullt warst. Bald schon werden wir sie freigelassen; und da du so vernünftig bist, kannst du sie vorher in der ürdükschen Unterwelt besuchen. Willst du?“

„Natürlich will ich.“

„Außerdem möchte ich meine Stelle als Leibwächter kündigen.“

„Ich weiß, du warst hier als Agent des ürdükschen Reiches. Die Kündigung ist ab sofort genehmigt. Willst du sie schriftlich?“

„Nicht nötig. Wenn du so weitermachst, brauchst du sowieso bald keinen Leibwächter mehr, da du vom ürdükschen Reiche beschützt wirst. Die freilassende Haltung, mit der du deine Verlobte dem ürdükschen Reiche überlässt, weist dich aus als einen des Schutzes würdigen rechtschaffenen Menschen.“

„Sehr schön. Dann habe ich also ab sofort einen Leibwächter weniger; und vielleicht brauch ich bald keinen mehr. Sehr gut. Wenn du willst, kannst du trotzdem deine Dienstwohnung behalten.“

„Vielen Dank. Übrigens solltest du über das, was wir nun besprochen haben und was du von sonstwoher über das ürdüksche Reich weißt und noch erfahren wirst, strengstes Stillschweigen wahren. Ürdük versteht da keinen Spaß.“

„Ich werde schweigen. Im Geheimen ist das alles noch viel interessanter.“

„Eben. Ich merkte sofort, daß du vernünftig bist. Ich seh jetzt nach, wann wir die Isabella in der Unterwelt besuchen können. Bis später.“

Er erhob sich und ging hinaus.

Und so weiter...
Fortsetzung folgt

© Raymond Zoller