Die Klamurke Belletristik

Petrus und die Kakerlake

Vorm Himmelstor stand eine Kakerlake und begehrte Einlass. Sie sagte, sie sei ein Erzengel und habe sich verlaufen.

Petrus wusste nicht, was tun, griff zum Telefon und wählte die Nummer des Papstes.

Der Kardinal, der den Anruf entgegennahm, sagte, der Papst sei beschäftigt und erst in fünf Stunden wieder zu sprechen. Woraufhin Petrus die Kakerlake oder den Erzengel bat, draußen Platz zu nehmen und zu warten, bis die Frage geklärt ist.

Er verschloss das Himmelstor und verfiel in tiefes Nachdenken.

„Wenn das eine einfache Kakerlake ist, die so tut, als sei sie ein Erzengel, so begeht sie eine große Sünde und gehört ganz sicher nicht in den Himmel“, dachte er. „Oder vielleicht ist es gar der Teufel, der sich als Kakerlake verkleidet hat und nun so tut, als sei er ein wie eine Kakerlake aussehender Erzengel? Das wäre direkt gefährlich, den reinzulassen!“

Er zündete sich eine Zigarette an.

„Doch wenn es nun tatsächlich ein Erzengel ist, der aussieht wie eine Kakerlake? Und ich laß ihn nicht rein? Das kann Ärger geben. Oder gar Dienstaufsichtsbeschwerde.

Und er beschloss, Gott von seinem Mittagsschlaf zu wecken und ihn zu fragen, was zu tun sei. Gott ist zwar nicht der Papst; aber auch er weiß in manchen Dingen gut Bescheid; und sowieso ist es besser, wenn er die Verantwortung übernimmt.

Gott blinzelte, als Petrus ihn weckte, und murmelte, das müsse schon der Papst entscheiden; er selbst wolle die Verantwortung nicht übernehmen.

Drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter.

© Raymond Zoller