Die Klamurke Belletristik

Die Löcher

Im Wald gab es ein paar Löcher. Nicht viele Löcher; aber doch: Löcher.

In diese Löcher fiel ab und zu jemand rein. Meistens waren das Spaziergänger, die eigentlich etwas anderes vorhatten. Spazierengehen zum Beispiel. Die fielen dann in die Löcher und blieben drin, bis man sie wieder herauszog. Manche nahmen sich daraufhin vor, nie wieder im Walde spazieren zu gehen; andere hingegen ließen sich durch solche Vorkommnisse nicht beirren, gingen immer wieder im Walde spazieren und fielen immer wieder in die Löcher.

Laut einer durch das Gemeindeamt veröffentlichten Statistik wurde noch nie beobachtet, daß ein und der gleiche Spaziergänger mehr als dreimal in das gleiche Loch fiel. Ob es sich hierbei um einen im Wesen der Sache liegenden Grenzwert handelt oder bloß um einen Zufall konnte bislang nicht festgestellt werden. Da das Wesen der Sache sich hartnäckig entzieht, beschloß man, sich weiterhin mit statistischen Untersuchungen zu begnügen. So ist denn seit Monaten ein Heer von Versuchspersonen Tag und Nacht in dem Walde unterwegs, und jedem von ihnen ist ein Loch zugeteilt, in das er am ersten Tage des Versuchs gezielt dreimal hineinzufallen hatte. Zu einer Überschreitung genannter Sturzzahl kam es bis jetzt nicht; was darauf schließen läßt, daß wir es tatsächlich mit einem absoluten Grenzwert zu tun haben. Worin dieser Grenzwert – so es ihn gibt – begründet sein könnte, bleibt ein Rätsel.

Insgesamt sehr merkwürdig...

© Raymond Zoller