Die Klamurke Belletristik

Das Konzert

Als Erwin Sopha einstens den Taktstock heben wollte, um in Erfüllung seiner Aufgabe das ihm anvertraute Symphonieorchester zu dirigieren und zu leiten, da mußte er feststellen, daß solches nicht möglich war, alsda irgendein böswilliger Mensch seinen Taktstock auf der Unterlage festgenagelt hatte.

Zum Glück war es ein regnerischer Tag; und Erwin Sopha, der, wie es häufig geschah, zu spät zur Arbeit gekommen und ohne Umweg über die Garderobe sogleich an seinen Platz geeilt war, hatte seinen Schirm, der ihn auf dem Wege hierhin vor dem Regen geschützt hatte, kurzerhand zusammengeklappt an sein Pult gelehnt. Diesen Regenschirm ergriff er nun; und mit diesem seinem Schirme begann er zu dirigieren, als sei es ein Taktstock.

Anfangs war das Publikum etwas erstaunt; auch wurden die weiter vorn sitzenden Musiker durch das Wasser, das von dem im Takte bewegten Regenschirme spritzte, etwas naß; aber sonst verlief alles normal.

Anderntags stand überall in den Zeitungen, daß Erwin Sopha mit dem Regenschirm dirigiert hat; und das gefiel den Leuten so gut, daß das nächste Konzert bis auf den letzten Platz ausverkauft war.

An jenem Abend aber kam Erwin Sopha nicht zu spät und konnte in aller Ruhe seine Sachen in der Garderobe ablegen; und auch einen Schirm hatte er nicht dabei, weil es nämlich nicht regnete; und wie er an sein Pult trat, da war der Taktstock nicht festgenagelt, und er konnte dirigieren wie gewohnt, ganz ohne Schirm.

Aber das Publikum war trotzdem zufrieden.

© Raymond Zoller