Die Klamurke Belletristik

Gräfin Kaualolla




Gräfin Giwa Kaualolla hatte die merkwürdige Eigenart, daß sie außer in der Phantasie von Inckhend Jaburockus nirgendwo existent war.

Doch dieser Mangel an Existenz wurde durch zahllose sonstige Vorzüge mehr als wettgemacht.

Gräfin Kaualolla war eine außerordentlich schöne Frau von raffinierter, sublimer Lasterhaftigkeit; und auch sehr tierlieb war sie. Außerdem war sie weise, außerordentlich weise; von solcher Weisheit war sie, daß einem fast schwindlig davon wurde. Und langbeinig war sie; so langbeinig, daß man über die Ästhetik ihrer Beine hätte Bücher schreiben können, wenn jemand anderes als Inckhend Jaburockus sie jemals hätte sehen können. Denn Inckhend Jaburockus war mit dem Worte zu wenig gewandt, als daß er sich an solch verantwortungsvolles Thema hätte heranwagen können.

So bleiben die Beine der Gräfin Giwa Kaualolla für alle Zeiten unbesungen; wieauch die Pracht ihrer glatt über die Schultern fallenden langen Haare, deren Farbe zu Anfang mal schwarz war, mal rot, mal blond, bis sie sich schließlich auf platinblond einpendelte und sich fortan nicht mehr änderte.

Auch ihre fünf Katzen und ihre sieben Hunde müssen unbesungen bleiben; zu unsicher ist Inckhend Jaburockus in seinem Umgang mit dem Worte, zu wenig bewandert in der Schilderung von zu schilderndem. – Als sie ein Kind war, hatte Gräfin Kaualolla auch Meerschweinchen gehabt; doch da sie in ihrer Kindheit noch nicht so langbeinig war, kümmert sich Jaburockus kaum um jene Zeiten; höchstens, daß sie in Seufzern von Gräfin Kaualolla sich bemerkbar machen wie etwa: Wenn man doch noch mal fünf sein könnte und Meerschweinchen züchten! Doch Gräfin Giwa Kaualolla war zwanzig, manchmal auch 28 oder 32, und nicht fünf; sie war langbeinig, hatte fünf Katzen und sieben Hunde und züchtete keine Meerschweinchen mehr.

Als Inckhend Jaburockus starb, verschwand auch Gräfin Kaualolla. Was aus ihr worden ist, wissen wir nicht.




© Raymond Zoller