Die Klamurke Belletristik

In den wilden Fluten des Amazonas

... Im Weiteren fielen dann sieben Jungfrauen in einen Bach und wurden naß; und sieben Jünglinge kamen, die zogen sie wieder heraus. Und die Jünglinge waren alle katholisch, und die Jungfrauen waren evangelisch; ein happy end konnte es somit nicht geben; und ob sonst noch irgendwas gewesen ist, soll uns hier weiter nicht berühren, da der Faden unserer Erzählung nunmehr einen Sprung macht nach Südamerika, wo es, da es im Süden liegt, sehr heiß ist und wo man das ganze Jahr über sehr schwitzt; besonders aber in der Gegend um den Äquator herum, wo der Amazonas fließt und wo es Piranhas gibt. Wären die sieben Jungfrauen in den Amazonas gefallen, so hätten sie von den sieben Jünglingen nicht mehr herausgezogen werden können, weil sie nämlich vorher von den dort schwimmenden Piranhas aufgefressen worden wären. Doch zum Glück sind sie nicht in den Amazonas gefallen und wurden nicht gefressen, sondern wieder herausgezogen. - Und schon müssen wir den Amazonas wieder verlassen und uns nunmehr nach Indien begeben zu einem dortselbst lebenden chinesischen Kaufmann, der mit einer thailändischen Prostituierten verheiratet ist und jedes Wochenende nach Bangkok fliegt, um seine in einem dortigen Bordelle arbeitende Frau zu besuchen. Warum seine Frau nicht in einem indischen Bordell arbeiten will, weiß niemand. Manchmal versucht er, sie dazu zu überreden; doch sie winkt ab und sagt, sie wolle lieber in Bangkok bleiben. Der Kaufmann beharrt auch nicht zu sehr darauf, daß sie nach Indien kommt, da er solcherart die Woche über seine Ruhe hat und er sich zudem bereits so an die Wochenenden in Bangkok gewöhnt hat, daß er sie nicht mehr missen möchte. Er handelt mit Hustenbonbons und Damenstrümpfen; und wenn er nach Bangkok fliegt, nimmt er immer welche mit und verkauft sie an die Kolleginnen seiner Frau. Seiner Frau gibt er sie natürlich umsonst; wie könnte das auch anders sein, da er ja mit ihr verheiratet ist! Ansonsten ißt er gerne Spaghetti Napolitane; und wenn man ihn so sieht, wie er sie geschickt um die Gabel wickelt und in den Mund führt, möchte man ihn glatt für einen Italiener halten; nur, daß Italiener meistens keine Schlitzaugen haben. Dafür mag er diese ganzen Urwälder nicht, die es in diesen Gegenden gibt und in denen Tiger leben und sonstiges Ungeziefer, vor denen man sich immer so in Acht nehmen muß. Er war noch nie im Urwald und betont bei jeder Gelegenheit, daß es ihn auch nicht dort hinzieht. Seine Frau hingegen ißt gerne Tintenfische, calamares en su tinta; und in ihrer freien Zeit geht sie im Urwald spazieren, da sie die Gefahr liebt. Ihr Mann aber begleitet sie nie auf solchen Spaziergängen. "Was soll ich," sagt er, "sie in den Urwald begleiten? Um von einem Tiger gefressen zu werden? Wenn sie gefressen werden will - bitte; zur Not kann ich immer noch eine von ihren Kolleginnen heiraten." So sagt er und vergnügt sich, während seine Frau im Urwald spazieren geht, mit ihren Kolleginnen. Denn dazu sind sie ja da.... - Unterdessen fegt ein eisiger Wind über die Gipfel der Alpen; in diesen Höhen ist es äußerst kalt, und wer sich so hoch hinaufbegibt und vergißt, sich warm anzuziehen, muß mit den übelsten Folgen rechnen. Dafür leben in diesem Reiche des Eises und der Kälte weder Tiger noch Klapperschlangen; und sicher nicht zuletzt aus diesem Grunde gehen manche viel lieber in den Bergen als im Urwald spazieren. Unser Geschäftsmann hingegen, der den Urwald nicht ausstehen kann, mag die Berge noch viel weniger; nicht nur wegen der Kälte, sondern auch, weil sie so furchtbar hoch sind und man sich in ihnen so leicht das Genick bricht. Auch seine Frau mag die Berge nicht; obwohl sie die Gefahr liebt. Sie sagt, es sei ihr einfach zu kalt dort oben. In dieser Hinsicht verstehen sie sich. Was aber die sieben Jungfrauen und die sieben Jünglinge von Spaziergängen im Gebirge halten, soll uns hier weiter nicht interessieren, da unsere Erzählung nunmehr ihrem Abschluß sich nähert und wir sie nicht mit unnötigen Einzelheiten überlasten wollen...




© Raymond Zoller