Die Klamurke Soziales

Andeutungsweise Darstellung verschiedener tief verwurzelter Hindernisse,
die sich dem Zusammenwirken von einzelnen Menschen und Menschengruppen entgegenstemmen

Nachfolgender Text kam im Sommer 2003 in Zusammenhang mit der – notgedrungen wieder abgebrochenen – Arbeit an einer Internetseite zustande, welche wir in Verbindung mit unseren wirtschaftlichen und sozialen Bemühungen erstellen wollten. Aktiv beteiligt: Georges Raillard, Raymond Zoller; vorliegende Fassung des Entwurfs stammt von letzterem. – Eine solche Internetseite kam nicht zustande, da die Zusammenhänge, deren Sprachrohr sie hätte sein sollen, in Stagnation versackten. Dafür tun wir diesen Text jetzt in die Klamurke: wo er auch hingehört

Einer der zentralsten antisozialen Faktoren besteht ganz sicher darin, daß die Menschen sich zu wenig Rechenschaft ablegen über ihre tatsächliche innere Haltung, über ihre Motive und Triebfedern. Mit dem Verstand kann man die menschenfreundlichsten Theorien formulieren; und dann werden diese im Kopfe angesiedelten menschenfreundlichen Theorien von unbeirrt unerkannt unterschwellig herumwütendem Ehrgeiz, Bereicherungswillen und sonstigen weniger menschenfreundlichen Tendenzen ergriffen und in ihrem Sinne eingesetzt; es bleibt alles beim Alten, beziehungsweise wird noch chaotischer, da verlogener. Man hat zu wenig Sinn für kritische Selbstbeobachtung; vor allem der Theoretiker, der für sowas ja auch keine Zeit hat; und auch diejenigen Theoretiker haben – wie die Erfahrung zeigt – für sowas keine Zeit, die rein theoretisch "seelische Beobachtung" fordern; was bei letzteren zu außerordentlich komischen Verwicklungen führen kann.

Einen der meist unerkannt herumwütenden antisozialen Faktoren, auf den man bei Insaugefassen der unterschwelligen Tendenzen unweigerlich trifft, kann man auf folgende Formel bringen:

In der sogenannten zivilisierten Welt ist man zutiefst davon überzeugt, daß derjenige, der gut mit materiellen Gütern versorgt ist, besser ist als derjenige, der weniger gut damit versorgt ist und daß er zudem mehr Rechte hat als letzterer.

Solche Überzeugung ist – was noch einmal betont sei – häufig auch dort wirksam, wo sie nicht zu Bewußtsein kommt, und wirksam ist sie auch bei den meisten derjenigen, welche menschenfreundliche Theorien vertreten von Gleichheit oder gar davon, daß Rechtsleben, Geistesleben und Wirtschaftsleben jeweils nach eigenen Gesetzen wirken, die nicht miteinander vermischt werden sollen. Denn nicht darum geht es, welche Theorien der Mensch vertritt, sondern darum, wovon er innerlich durchdrungen ist und was er darlebt.

Diese meist unerkannt wirkende antisoziale Haltung verfälscht nicht nur – hauptsächlich im westlichen Kulturkreis, aber auch sonst – den Umgang der Menschen untereinander, sondern bestimmt gleichzeitig auch den Umgang der westlichen Welt mit den Bewohnern materiell weniger entwickelter Gebiete. – Da der weniger begüterte Gegenüber nicht als gleichberechtigter Mitmensch oder Partner empfunden wird, traut man ihm auch nicht zu, daß er potentiell etwas leisten könnte, wenn er die entsprechenden Mittel hätte. – Im makrosozialen Bereich läuft die viel beschworene "humanitäre Hilfe" nicht selten auf eine von sublimer Verachtung getragene Erniedrigung hinaus und führt im Weiteren zum Aufbau von Machtstrukturen, an deren Hebeln die edlen Spender sitzen, gestützt und getragen von einheimischen Proselyten, die auf Kosten ihrer ehrlicheren Landsleute ihre Karrieren gestalten[1].

Auf der Strecke bleibt dabei die eigenständige Entwicklung des Einzelnen sowie die Entwicklung tragfähiger Zusammenhänge in jenen sogenannten "unterentwickelten" Ländern.


*) Dies ist meiner Beobachtung nach häufig so; jedoch – zum Glück – nicht immer. Ausnahmen sind ausdrücklich nicht gemeint.

 



 

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